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Alt 27.08.2013, 19:58:26   #12
wELz
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Vorbereitung

Die Vorbereitung ist eigentlich der wichtigste und wahrscheinlich auch der abschreckendste Teil bei einer solchen Tour.
Warum die Vorbereitung der "wichtigste" Teil einer solchen Tour ist, sollte selbsterklärend sein: "Wie siehts mit Gepäck aus?"; "Was passiert im Notfall?"; "Wo will ich überhaupt hin?"; und viele weitere Fragen sollte man sich vor der Tour beantworten, damit diese möglichst Reibungslos abläuft.
Daraus folgt aber auch das "Abschreckende": "Man muss ja so viel beachten."; "Hab ich an alles gedacht?".

Jedoch ist die Vorbereitung einer der einfachsten und dankbarsten Aufgaben. Man hat nämlich viel Zeit, sich solche Gedanken zu machen, diese zu sammeln und eben "abzuarbeiten". Zudem ist die Vorbereitung nicht so viel wie man erwartet!

Nun kommen wir zum eigentlichen Thema: Wie sah meine Vorbereitung aus?

Wo soll es hingehen? Welche Fahrziele habe ich?
Die Idee in den hohen Norden zu fahren und eventuell das Nordkapp zu erreichen, habe ich seit dem ich meine erste größere Tour (Korsika) gemacht habe. Letzten Herbst hat zudem ein Kumpel von mir dem Freundeskreis eröffnet, dass er die Zeit von Mai bis August in Umea (Schweden) verbringen wird. Sofort stand für mich fest, dass ich ihn besuchen will. Also habe ich mir mal den Standort von Umea auf Google Maps angeschaut und einfach mal etwas mit den Routen gespielt.
Dabei haben sich mit der Zeit folgende Ziele herauskristalisiert:
  1. Kumpel in Umea besuchen
  2. komplette Ostsee umrunden und in jedem Land auf dem Weg mind. 1 Nacht verbringen und 1 landestypisches Essen
  3. Einen Umweg von 2000km übers Nordkapp einlegen
  4. Am 10.8. auf einer Familienfeier in Würzburg sein
  5. Wenn es Zeit und Lust zulassen: Norwegens Westküste abfahren
  6. Am dem GS500-Forum-Treffen am Edersee teilnehmen
  7. Öresund Brücke überqueren
Das Ziel 6 ist erst sehr spät entstanden und in folgender Routenplanung eben nicht vorhanden: Google Maps (Route beginnt bei H)
Ursprünglich wollte ich durch Kaliningrad und Russland bis Murmansk fahren, aber die Russen habe Visa Bestimmungen, die ich nicht eingesehen habe. Dazu später mehr.

Welche Zeit benötige ich? Wie viel Zeit habe ich?
Google Maps sagt 8253km. Das habe ich auf 9000km aufgerundet (Umwege, Verfahren, etc.). Da ich Autobahnen komplett meiden wollte (ausgenommen die Öresund Brücke), habe ich pauschal mit 300km/Tag gerechnet. Das heißt, dass ich 30 Tage fürs Fahren veranschlage. Dazu kommt, dass ich 2x eine längere Überfahrt mit der Fähre habe und habe dafür einen weiteren kompletten Tag eingeplant. Dazu habe ich mir noch 2 Tage in Würzburg eingeplant und auch 3 Tage in Umea eingeplant. Alles in allem sollte meine Tour 36 Tage dauern (tatsächlich waren es dann am Ende nur 31 Tage).
Die Rahmenbedingungen dafür mussten nun noch geschaffen werden. Dafür habe ich mir einen Termin geschaffen, wann ich die Tour beenden will: Am 12.8. sollte das sein, um mit meinen besten Freunden am 14.8. den alljährlichen "Urlaub vom Menschsein" anzutreten. Nun ging es ans Verhandeln mit meinem Arbeitgeber und was ich meinem Chef dafür biete, dass ich 7 Wochen am Stück Urlaub nehmen kann. Also war mein letzter geplanter Arbeitstag der 29.6. Danach wollte ich mich ein paar Tage auf die letzten Vorbereitungen treffen und dann spätestens am 8.7. losfahren.

Wie hoch liegt überhaupt mein Budget für diese Reise?
Da ich bereits 2012 im Norden unterwegs war, wusste ich, dass es mit zunehmenden Breitengrad immer teurer wird: 3 Tage Oslo, 1 Tag Longyearbyean und 3 Tage Kopenhagen haben damals überraschenderweise mit 1100€ zu Buche geschlagen.
Trotzdem wollte ich mein Budget auf 1500€ begrenzen.

Wie kann ich dieses Budget einhalten?
Mir war klar, dass es vermutlich unmöglich ist, dieses Budget einzuhalten, aber wenn ich mir keine Grenze setzen würde, könnte es wie 2012 zu einem "bösen Erwachen" kommen. Also habe ich überlegt, was im Jahr zuvor die teuersten Posten waren. Man kann sich das Ergebnis bereits denken: Übernachtung (trotz günstiger Hotels), Essen gehen (war manchmal auch das teuerste auf der Karte) und Bier (zwar selten, aber meist mit ca. 10€ zu Buche geschlagen).
Nachdem mir das bewusst wurde, habe ich mich dazu entschlossen das Jedermannsrecht in Anspruch zu nehmen (auch in Ländern, in dem es nicht existiert ) und möglichst alle Nächte in der Wildnis zu übernachten. Die Sache mit dem Essen gehen ist auch einfach gelöst: Ich gehe nicht essen, sondern koche. Als Bayer war die Sache mit dem Bier schon ein fast unlösbares Problem. Schließlich ersetzen 3 Bier ein Frühstück. Spaß beiseite, auf Bier verzichten ist bei den Preisen sowieso nicht schwierig und verkatert Motorradfahren sowieso ein No-Go.

Was ergibt sich daraus für das Gepäck?
Ich benötige ein zuverlässiges und leichtes Zelt mit geringem Packmaß. Außerdem benötige ich einen Schlafsack, der eine kalte Nacht in Norwegen abhalten kann und ebenso ein geringes Gewicht und Packmaß hat. Da die Zelte, die diese 3 Kriterien erfüllen, erst bei einem mittleren dreistelligen €urobetrag anfangen, musste ene andere Lösung her:
  • 2 Zeltstangen
  • 1 Plane als Unterlage
  • 1 Tarp über dem Kopf aufspannen
Als Schlafsack habe ich mich für einen Mountain Equipment Helium 600 entschieden, da er wenig wiegt und gepackt sehr klein ist. Zudem hält er in kalten Nächten warm und in warmen Nächten kann man auch einfach mal den Reisverschluss offen lassen.
Da ich leider auch bisher keinen vernünftigen Kocher hatte, musste ich mir auch hier einen kaufen. Es sollte was dauerhaftes und vernünftiges sein, was ich auch auf Extrem Touren nutzen könnte. In meiner engeren Auswahl waren folgende Kocher: Soto Muka Stove OD-1NP, Primus OmniFuel
Die beiden Kocher kamen in meine enge Auswahl, weil sie mit überall erhältlichen Benzin laufen und in sämtlichen Tests tadellos abgeschnitten haben (MSR hat z.B. Probleme mit der Regulierung der Flamme).
Eigentlich hatte ich mit dem Soto geliebäugelt, jedoch gab es zufällig den Priums Kocher zu einem Schnäppchenpreis bei Sport Schuster in München.
Ein anderer Teil des Gepäcks, worüber ich mir noch einen Kopf gemacht habe, war eine "erweitertes Bordwerkzeug". Da habe ich dann jedoch weniger auf Eigenrecherche, sondern auf unser geliebtes GS-Forum vertraut, mir in diesem Thread helfen lassen und mir dann schließlich fehlende/s Teile/Werkzeug besorgt.

Über den Rest des Gepäcks habe ich mir weniger Gedanken gemacht, da das eher Standardgepäck ist.

Wie bereite ich das Motorrad vor?
Da meine Suki sowieso TÜV fällig war und ich leichte Vergaser Probleme hatte, habe ich eine etwas größere Wartung gemacht:
  • Vergaser gereinigt und neu eingestellt
  • Bremsscheiben überprüft (waren auf Minimum) und mit neuen Belägen getauscht
  • Da die Reifen maximal 3000km noch geschafft hätten, wurden sie gegen einen neuen Satz getauscht
  • Ventilspiel überprüft und für gut befunden
  • Öl & Ölfilter gewechselt
  • leicht defekte Batterie gegen durch eine neue ersetzt
Danach noch ein paar kleinere Touren, um zu prüfen, ob die Maschine tadellos fährt und dann kanns quasi schon losgehen.


Welche Dokumente brauche ich und wie sieht es mit Visa aus?
Innerhalb des Schengenraums braucht man keine Visa. Da reicht ein Personalausweis vollkommen aus. Jedoch wollte ich über Russland fahren und hätte ein Visum benötigt. Ich habe aber nicht eingesehen, dass ich mir eine dafür zwingende "persönliche Einladung" über ein Visaservice erkaufe oder denen Lohnnachweis/Kontoauszüge zuschicke. Zudem benötigt man eine von Russland akzeptierte Auslandskrankenversicherung. Da ich die Regierung mit ihren Schikanen eher weniger unterstützenswert finde, habe ich auf eine Fahrt durch Russland verzichtet für diese Tour.
Weiter sinnvolle Dokumente:
  • Ausweis
  • Reisepass (als Ersatz für evtl. verlorenen Ausweis)
  • grüne Versicherungskarte (meist nicht nötig, aber besser man hats)
Wie sieht es mit Pannendienst und Versicherung aus?
Bei so ziemlich jeder KFZ-Versicherung ist der Schutz europaweit. Bei Zweifeln gegebenfalls nachfragen oder auf dem grünen Versicherungsschein schauen.
Eine Auslandskrankenversicherung ist Pflicht! Nicht unbedingt Pflicht in diversen Ländern, aber Pflicht für seine eigene Gesundheit. Denn so ein Motorradunfall und die Behandlung eines komplizierten Splitterbruchs im Oberschenkel könnten immense Behandlungskosten nach sich ziehen. Einige Leistungen im europäischen Ausland werden gegebenfalls von der gesetzlichen/privaten KV bereits abgedeckt. Vielleicht einfach erkundigen, ansonsten tun 10-20€ im Jahr auch nicht weh.
Ich habe mir kurz vor der Reise eine ADAC-Plus Mitgliedschaft geholt. Alternativ bieten auch einige KFZ-Versicherungen ähnliche/gleiche Leistungen an. Hilfe für's Motorrad bei Panne/Ausfall, wo man sich selber nicht helfen kann, schadet schließlich nicht.

Welche Vorbereitungen braucht man meiner Meinung nach nicht?
Ich bin der Meinung, dass es absolut hinderlich ist, wenn man im Vorfeld schon sämtliche Hotels, Fähren und ähnliches bucht! Davon kann ich nur abraten. Zwar schafft man sich so eine Sicherheit, dass man ein Dach über'm Kopf hat und dabei evtl. paar €uro spart, jedoch sind die Nachteile bei einer solchen Tour gravierend, weil man eine festgelegte Route in einer bestimmten Zeit zurücklegen muss:
  • Man kann unter Umständen an besonders schönen Orten nur kurz oder gar nicht verweilen und im Gegenzug dafür hält man sich an nicht so schönen Plätzchen zu lange auf.
  • Man setzt sich selber unter Zeitdruck
  • Man ist unflexibel, was die Routengestaltung angeht. Ich habe öfters Tipps erhalten, wo es landschaftlich und streckenmäßig richtig schön zum fahren ist. Ich bin teils schon sehr von meiner groben Route abgewichen.
Ich habe mir immer erst am Abend zuvor meine Routen für den nächsten Tag geplant und es hat wunderbar funktioniert. Ich hatte auch keine größeren Probleme spontan ein Hotel zu finden, wenn ich eins gebraucht habe und als Motorradfahrer hat man auf jeder Fähre noch ein Plätzchen. Man braucht also diese Sachen nicht planen!

Auch benötigt man keinen konkreten Zeitplan. Bei mir sah es so aus, dass ich an nem bestimmten Datum versucht habe an einem bestimmten Ort zu sein (~28.7. Umea, 9.8. Edersee, 10.8. Würzburg, 12.8. München). Das reicht vollkommen. Der Rest ergibt sich während der Tour. Unterwegs kann man viel besser einschätzen, wie man fahren muss, um "Termine" einzuhalten oder ob man sich noch Umwege erlauben kann. Dafür entwickelt man von Zeit zu Zeit ein Gefühl.

Der Beitrag wurde nun doch etwas länger, aber ich hoffe, dass er dafür komplett ist. Wenn sich trotzdem daraus Fragen ergeben, beantworte ich diese natürlich sehr gerne.

Geändert von wELz (28.08.2013 um 21:00:42 Uhr)
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