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Alt 02.02.2009, 19:32:53   #17
gplchris
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Standard Re: Sicherstellungen am Kesselberg und Sudelfeld in Bayern

Bei allen juristischen Verenkungen, die Generalklausel oft verursachen, verstellt sich oft der Blick für das Wesentliche. Das Wesentliche bei einer Generalklausel ist die Motivation der Staatsmacht. Für solche Motivationen werden Generalklauseln als Rechtfertigung an den Haaren herbeigezogen. (Ich empfehle dazu Heinreich Hannover, Die Republik vor Gericht. Bei den formaljuristischen Begründungen absurder Entscheidung kommt man manchmal ins Grübeln , ob Aufbauschemata und Definitionen wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. Sind sie nicht)

Das fängt hier schon mit der Sicherstellung an. Eigentlich will man effektiv eine kurzzeitiges Fahrverbot (im StVG nicht geregelt) verbunden mit einer saftigen Geld(ein)buße. Geht natürlich nicht, also nimmt man die Motorräder weg, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Wer das gutheißen möchte, stellt sich in die Tradition einer fragwürdigen Rechtsanwendung. Nötigung, Beleidigung, öffentliche Ordnung und dargleichen wurden oft zur Verfolgung und Unterbindung von Verhalten mißbraucht, das irgendwie nicht gewollt war. In der Weimarer Republik wurden Streiks als Nötigung bestraft, weil man eben noch geistig beim Kaiser war. Im heutigen Deutschland hat man Peep-Shows verboten, weil man eben fromm ist (vorgeschoben wurde die Menschenwürde). Das ging formaljuristisch sicherlich und wurde trickreich begründet. Wer über dieses Hölzchen springt und sich auf eine Subsumtion einlässt, hat schon verloren. Denn mit Generalklauseln lässt sich anscheinend jeder Schwachsinn begründen. Und das gut, denn: Je unbestimmter das Gesetz, desto mehr Begründungsaufwend für denjenigen, der seine Nichtanwendung begründen will. Im Rechtstaat war das eigentlich mal andersrum gedacht.

Ich bleibe dabei. Wenn der "Raser" nicht gerade besoffen war oder einen Mord ankündigten, ist diese Sicherstellung eine Farce gewesen. Für diese Art "Gefahr" bräuchte es eben ein Gesetz. Komische Gerichte, die das zeitweilig vergessen, wird es immer geben.

Und: Folgenlos war die Fahrt nicht. Außerdem weiß man nicht, ob sie da wirklich den "Richtigen" erwischt haben. Vielleicht ein sehr besonnerer Fahrer, der nie konkret gefährlich fährt, aber sich mal kurz erlaubt hat statt 80 km/h 120 km/h zu fahren, mein Gott. Lieber so als jemand, der rechts-vor-links nicht kennt.

Zum Unjuristischen:
Generalklauseln haben nur dort Platz, wo es kein spezielle Regelung gibt oder wo es keine spezielle Regelung geben müsste. Die zweite Variante darf man bei Generalklauseln nie vergessen, wenn man gerade emotional die Höchststrafe fordert. Für einen Verkehrsverstoß gibt es eben doch nur Punkte und ein Fahrverbot. Wer mehr will, muss den Gesetzgeber fragen. Die Generalklausel ist kein Mittel zu allgemeinen Prävention; denn abstrakte Gefahren sind nicht erfasst. Bei Mutmaßungen über das zukünftige Verhalten eines sündigen Verkehrsteilnehmer fängt das aber schon ab; Kaffeesatzleserei als Grundlage einer Verfügung? Die charakterliche Eignung behandelt das StVG schon selbst. Die Generalklauseln helfen nur dort, wo ihr Fehlen eine absurdes Ergebnis erzielen würde. Ok Peepshows, Kondomautomaten, Sitzblockaden und Streiks waren dem Zeitgeist entsprechend auch unerträglich. Und extremes Schnellfahren wäre flächendeckend auch absurd (40 km/h zuviel ist aber nicht extrem). Absurd wäre es auch den Gesetzgeber zu bestimmten (im Sinne von: wer es liest, weiß was damit bezweckt werden soll) Gesetzen zu zwingen?!

Man sollte überlegen, was wirklich gefährlich ist und was bloß spektakulär.
40 km/h: Das StVG sieht dafür glaube ich 3 Punkte und ein Fahrverbot vor. Es ist halb so wild. Das ist einfach emotional hochgekocht, weil sich viele an xxx km/h berauschen können. Irgendwo auf einer flugplatzbreiten Landstraße mit einem Motorrad mal kurz beschleunigt ist weniger gefährlich als der normale Wahnsinn im Straßenverkehr. PKW fahren Menschen oft mit formal legaler Geschwindigkeit um. Die echte Gefahr interessiert keine Sau. Muss sie auch nicht, denn Regeln fangen dort an, wo der Verstand aufhört. Wenig Verstand braucht viele Regeln. Und flächendeckend folgenlos kann der Staat nicht zulassen, dass seine Regeln gebrochen werden. Disproportional ist die Verfolgung aber schon: Man darf so bekloppt fahren, wie man will, nur nicht schneller als es ein Schild erlaubt.
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